Änderung der Rechtsprechung bei Ermittlung der zumutbaren Belastung z.B. bei Krankheitskosten
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19.01.2017 (VI R 75/14) entschieden, dass Steuerpflichtige sog. außergewöhnliche Belastungen, wie z.B. Aufwendungen wegen Krankheit oder Behinderung, höher als bisher steuerlich geltend machen können.
Regelung des Einkommensteuergesetzes:
Nach § 33 Abs. 1 und 3 EStG ist der Abzug von außergewöhnlichen Belastungen nur möglich, wenn der Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Aufwendungen belastet ist und die Aufwendungen somit die zumutbare Belastung übersteigen. Die Zumutbarkeitsgrenze wird hierbei in drei Stufen nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte (Stufe 1 bis 15.340 €, Stufe 2 bis 51.130 € und Stufe 3 über 51.130 €) nach einem bestimmten Prozentsatz (zwischen 1 % und 7%) des Gesamtbetrages der Einkünfte - in Abhängigkeit von Familienstand und Kinderzahl - bemessen. Nach dem Willen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung kann dem Steuerpflichtigen durch den Ansatz der gestaffelten zumutbaren Belastungen gemäß § 33 Abs. 3 EStG zugemutet werden, entsprechend seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit einen Teil seiner Belastungen selbst zu tragen. Das heißt, dass Steuerpflichtige mit einem höheren Gesamtbetrag der Einkünfte wirtschaftlich leistungsfähiger sind und ihnen deshalb zugemutet werden kann, auch einen höheren Anteil der außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Krankheitskosten, nach
§ 33 Abs. 1 EStG selber zu tragen.
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Bisherige Anwendung der Finanzverwaltung:
Hinsichtlich der Ermittlung der zumutbaren Belastung vertrat die Finanzverwaltung bisher die Auffassung, dass sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 genannten Grenzen überschreitet. Folglich war bisher in der Praxis zur Ermittlung der zumutbaren Belastung der höhere Prozentsatz auf den Gesamtbetrag aller Einkünfte anzuwenden.
Änderung durch den Bundesfinanzhof:
Nach der o.g. Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist die Vorschrift des § 33 Abs. 3 EStG so auszulegen, dass nur der Teil des Gesamtbetrages der Einkünfte, der den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt, mit dem höheren Prozentsatz belastet wird. Nicht anzuwenden ist der höhere Prozentsatz auf den Teil des Gesamtbetrages der Einkünfte, der der niedrigen Stufe angehört. Maßgebend für die Entscheidung des Bundesfinanzhofes waren insbesondere der Wortlaut der Vorschrift, der für die Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes gerade nicht auf den „gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte“ abstellt, sowie die Vermeidung von Härten, die bei der Berechnung durch die Finanzverwaltung entstehen konnten, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde.
Neue Rechtsprechung und steuerlicher Vorteil:
Durch die neue stufenweise Berechnungsmethode der zumutbaren Belastung, d.h. des Eigenanteils kann nun ein höherer Betrag der außergewöhnlichen Belastung, z.B. Krankheitskosten, angesetzt werden, der sich zugunsten des Steuerpflichtigen steuermindernd auswirkt.
Dazu folgendes Beispiel:
Ein Steuerpflichtiger hat zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € als außergewöhnliche Belastungen erklärt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute lag über 51.130 €. Das Finanzamt berechnete die zumutbare Belastung mit dem höchstmöglichen Prozentsatz von 4%, so dass sich die Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € für die Eheleute nach dem Abzug dieser zumutbaren Belastungen nur noch mit 2.069 € steuermindernd auswirkten.
Nach neuer Rechtsprechung ergibt sich zugunsten des Steuerpflichtigen folgende Berechnung:
1) 2 % zumutbare Belastung von 1 € bis 15.340 €,
2) 3 % von 15.341 € bis 51.130 € und
3) 4 % von dem 51.130 € übersteigenden Teil der Einkünfte.
Die Krankheitskosten sind somit um 664 € höher abzugsfähig als gegenüber der bisherigen Berechnungsmethode.
Ausblick:
Festzuhalten ist, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs den Abzug aller außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG betrifft und nicht auf die Geltendmachung von Krankheitskosten beschränkt ist. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hat folglich weitreichende Bedeutung, da Steuerpflichtige nunmehr in der Regel in größerem Umfang als bisher sämtliche außergewöhnlichen Belastungen im Sinne von § 33 EStG steuerlich geltend machen können.
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